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SENDEREIHE

 

„EINFÜHRUNG  IN  AGNI  YOGA“

 

 

SENDUNG  7  

 

Karma – Das Gesetz von Ursache, Wirkung

und Verantwortung

 

 

Meine Damen und Herren,

 

ich begrüße Sie zu Sendung 7 unserer Reihe „Einführung in Agni Yoga“. Es geht heute um Karma, eines der grundlegenden Gesetze des Universums. Ohne dessen Kenntnis können Sie Ihr Schicksal weder verstehen noch bewältigen.

 

Wie viele Leidende, Kranke und Sterbende klagen: „Warum ich“? Wer von Karma nichts weiß, kennt die Antwort nicht.

 

Wie viel Leid gibt es aus Unwissenheit. Endet die Unwissenheit, endet das Leid.

 

 

1. Existentielle Frage nach Schuld und Sühne

 

Eine der existentiellen Fragen unseres Daseins lautet: Muss der Mensch büßen für seine Übeltaten? Die Unwissenheit über diesen Punkt ist eine Quelle der herrschenden geistigen Verwirrung.

 

Der Mensch, der sich für sterblich hält, sieht, dass böse Taten ihre Wirkungen nicht unbedingt im selben irdischen Leben zeitigen. Er sieht, dass auf Erden Ungerechtigkeit herrscht. Er glaubt daher tatsächlich, mit etwas Glück davonkommen und sich der Verantwortung für seine Gedanken, Worte und Handlungen entziehen zu können. So bringt der Irrglaube, mit dem Tod sei unsere Existenz beendet, eine erschreckende Verantwortungslosigkeit hervor.

 

Der neue, unsterbliche Mensch dagegen fühlt sich in eine höhere Ordnung gestellt, die ohne Gerechtigkeit nicht vorstellbar ist. Wenn der Geist ewig ist, wird er den Wirkungen seiner Handlungen letztlich nicht entfliehen können.

 

 

2. Barmherziger oder strafender Gott?

 

Der Glaube der Christen, wie er sich über die Jahrhunderte entwickelt hat, stößt auf eine unlösbare Frage:

 

Sollen wir uns Gott als allbarmherzig vorstellen, der uns allen, ob verdient oder unverdient, ob wir bereuen, wiedergutmachen oder nicht, die Gnade der Erlösung schenkt? Oder ist das höchste Wesen ein unbarmherziger Rächer und strafender Richter, der die Sintflut schickt, die Missetat der Väter heimsucht bis ins dritte und vierte Glied (2. Mos 20, 5) und der uns mit Hölle, Verdammnis, Heulen und Zähneklappen bedroht? (Mt 7, 13; 22, 13, 14; Luk 13, 28)?

 

Diese Erkenntnisnot quält die Menschheit seit Jahrhunderten: Warum lässt der „liebe Gott“ Erdbeben und Feuersbrünste, Fluten und Kriege, Not und Leid zu? Fällt doch kein Sperling vom Himmel ohne seinen Willen (Mt 10, 29)! Die heutige Philosophie hat darauf keine überzeugende Antwort. Das Christentum hat sich in eine Sackgasse ohne Ausgang verrannt.

 

 

3. Das Karmagesetz  

 

Es ist an der Zeit, dass auch das Abendland diese Menschheitsfrage löst. Dabei hilft uns die Weisheit des Ostens:

 

Es gibt ein ehernes Gesetz, das über dem ganzen Universum steht. In sein Wirken kann nicht einmal ein Gott eingreifen: Karma - das Gesetz von Ursache, Wirkung und Verantwortung. Alle Völker kennen dieses Gesetz, ob sie es Fatum, Nemesis, Kismet, ausgleichende Gerechtigkeit, Vorsehung oder Schicksal nennen.

 

Karma stellt Gerechtigkeit her. Danach fällt auf jeden das zurück, was er früher getan hat - so lange, bis das Böse gesühnt ist. Böse Taten haben Böses, gute Taten Gutes zur Folge - für uns selbst! Wer anderen Leid zufügt, muss selbst Leid erdulden – so lange, bis er lernt, so etwas nicht wieder zu tun.

 

Schon die alten Römer wussten: Suum cuique - jedem das Seine. Jeder erhält, was er verdient. Für alles muss bezahlt werden.

 

Das Böse, das wir in diesem oder einem vergangenen Leben angerichtet haben, bringt uns Unheil - so lange, bis das schiere Leid uns zwingt, aufzuwachen, umzukehren, das Böse durch Gutes zu lösen und der Versuchung nicht mehr zu erliegen. Wer heute in aller Wirrnis, in der er steht, sich müht und Gutes tut, zahlt alte Schulden ab und schafft sich für die Zukunft ein besseres Schicksal.

 

Deshalb ist es besser, Unrecht zu leiden als Unrecht zu tun.

 

Das irdische Karma endet erst, wenn ein Mensch hier nichts mehr zu lernen hat. Dann sind weitere Prüfungen überflüssig. Der Betreffende kann zu einer neuen Runde auf einem höheren Planeten zugelassen werden. Wenn Sie also unter den irdischen Verhältnissen leiden, lernen Sie rasch Ihre Lektionen lernen, dann müssen Sie bald nicht mehr hierher zurückkehren.

 

 

4. Kosmisches Gesetz

 

Es ist falsch, sich unter „Karma“ nur „Strafe“ vorzustellen. Karma wirkt wie ein physikalisches Gesetz: unwandelbar, unbeeinflussbar, überall im Universum. Alle unsere Gedanken, Gefühle, Worte und Taten bilden als Energien Ursachen, die später notwendig entsprechende Wirkungen hervorrufen.

 

Das Karmagesetz beantwortet die Frage der Christenheit: Ja, Gott ist barmherzig - aber in den Lauf der universellen Gerechtigkeit kann Er nicht eingreifen. Auch Er ist an das kosmische Gesetz gebunden.

 

Die Höhere Welt kann Hinweise geben, Wege aufzeigen, vielleicht sogar Hilfe senden, wenn unsere Kraft am Ende scheint - aber lösen müssen die Menschen ihr Karma selbst.

 

Es ist nicht die göttliche Gnade oder Jesu Tod am Kreuz, die uns alle, ob wir sündigen oder Gutes tun, unterschiedslos „in den Himmel“ bringt. Christus Jesus war ein großer geistiger Führer, wie Buddha und Mohammed. Er ist aber nicht der Erlöser von aller Schuld, zu dem Paulus und die Kirche ihn gemacht haben.

 

Es ist unser eigenes Streben zum Guten, zur Wahrheit, zum Höheren, das uns, über viele Leben hinweg, den einen schneller, den anderen langsamer, dem Göttlichen näherbringt.

 

 

5. Freier Wille und Verantwortung

 

Wie kann sich der abendländische Mensch dem Karmagesetz nähern? Er findet die Brücke im Prinzip der Verantwortung:

 

Der Mensch hat sich die Fähigkeit errungen, anders als noch die Tiere, frei und bewusst zu handeln. Der freie Wille hat aber eine Kehrseite: Er erfordert notwendig, dass Verantwortung übernommen wird. Das Universum ist nicht so eingerichtet, dass Lebewesen, die die hohe Stufe des freien Willens erreicht haben, sich den Konsequenzen ihres Handelns entziehen könnten.

 

Es gibt keine Freiheit ohne Verantwortung. Freiheit ohne Verantwortung wäre kein hohes Gut, kein Schmuck des Menschen, sondern eine Missgeburt des Kosmos.

 

Jeder weiß im Grunde seines Herzens, dass er die Folgen seine Gedanken, Worte und Handlungen tragen muss. Jedem Kind bringen wir bei, sich seiner Verantwortung zu stellen und den Dreck, den es verursacht hat, selbst zu beseitigen. Aber wir Erwachsene versuchen, uns durch den Verweis auf den Kreuzestod Christi oder durch ein Bad im Ganges davonzustehlen!?

 

Die Menschen laden Schuld auf sich, wenn sie sich unethisch verhalten (z.B. sich an der Massentierhaltung mitschuldig machen). Das bestätigen alle Religionen und unser Herzenswissen. Auf Schuld muss notwendig entweder Wiedergutmachung oder Leid folgen.

 

 

6. Wirkung nach dem Tod

 

Das Prinzip der Verantwortung bereitet uns Schwierigkeiten, weil sich nicht alle Ursachen, die wir setzen, gleich in demselben irdischen Leben auswirken können. In dieser kurzen Zeitspanne lässt sich Gerechtigkeit nicht herstellen. Wer glaubt, dass die menschliche Existenz mit dem Tod endet, kann sich also kaum vom Wirken der Gerechtigkeit überzeugen. Erst dem unsterblichen Mensch wird wirklich bewusst, dass alle seine Gedanken, Worte und Taten fortwirken und seinen ewigen Weg beeinflussen.

 

Die christliche Glaubenslehre und die östliche Weisheit stimmen daher darin überein, dass die Folgen unseres Handelns uns zu großen Teilen erst nach dem Tod ereilen werden.

 

Wie aber wollen wir diesen Ausgleich nach dem Ableben verstehen? Hier scheiden sich die Geister. Der alte Glaube, der Mensch werde beim Jüngsten Gericht beurteilt und entweder in den Himmel aufgenommen oder auf Ewigkeit in die Hölle verdammt, ist nicht mehr annehmbar. Viel natürlicher und dem Herzen einleuchtender ist die Vorstellung, dass wir bei einem späteren Leben auf der Erde die Gelegenheit erhalten, unsere Vergehen wieder gut zu machen.

 

Moderne Denker haben erkannt, dass die Hölle auf Erden liegt und wir sie uns selbst bereiten.

Der Sinn der irdischen „Hölle" ist es dann, als ein Fegefeuer die Menschen anzustoßen, endlich mit ihrer Reinigung zu beginnen und sich so für die Zukunft ein besseres Schicksal zu bereiten.

 

 

7. Bibel und Karma

Rembrandt „Der verlorene Sohn“

 

Die Bibel enthält eine Fülle von Hinweisen darauf, dass nur der die Seligkeit erlangen kann, der nach Gottes Geboten lebt. Wer den höheren Willen missachtet, wird bestraft, verworfen und zurückgewiesen. Wir haben die Bedeutung dieser Bibelstellen im Gefolge einer irrigen Erlösungstheologie aus dem Bewusstsein verdrängt.

 

Das Alte Testament ist voll von Gottes Strafe für den Ungehorsam der Menschen, beginnend mit der Sintflut (1. Mos 6, 5 ff) und der Auslöschung der gottlosen Städte Sodom und Gomorra (1. Mos 18, 20 ff). Die weitere Geschichte des Volkes Israel ist eine endlose Folge von Abfall, Bestrafung, Leid und Wiederannäherung an Gott.

 

Im Neuen Testament ist es nicht anders. Die Evangelien wissen nichts von verdienstloser Gnade. Sie sprechen nicht nur von Gottes Barmherzigkeit, sondern auch von Seiner Gerechtigkeit. Sie enthalten deutliche Hinweise auf das Karmagesetz, z.B.:

 

Wahrlich, ich sage dir: Du wirst nicht von dannen herauskommen, bis du auch den letzten Heller bezahlt hast. (Mt 5, 26)

 

Denn was der Mensch sät, das wird er ernten. (Gal 6, 7)

 

Viele Gleichnisse sprechen von der Notwendigkeit der Befolgung der höheren Gebote im eigenen Interesse: Das Gleichnis vom Himmelreich (Mt 22, 2-14), von den klugen und den törichten Jungfrauen (Mt 25, 1-13) und vom Verlorenen Sohn (Luk 15, 11 ff): Der musste, was wir zu überlesen pflegen, seine irdischen Gelüste bitter büßen, bevor er zum Vater zurückkehren durfte.

 

 

 

8. Keine Gottesfurcht

 

Die Vorstellung von einem strafenden Gott ist schrecklich. Annäherung an die höheren Sphären geschieht durch Liebe, nicht durch Furcht.

 

Glücklicherweise ist Gottesfurcht überholt. Ein Gott straft nicht. Er sorgt dafür, dass Gerechtigkeit herrscht. Wir bestrafen uns selbst, indem wir uns durch unser eigenes Verhalten ein schlechtes Schicksal schaffen.

 

 

9. Kein Jammern

Picasso „Weinende Frau“

 

Die weit verbreitete Vorstellung, die höheren Mächte würden Leid gleichermaßen über Schuldige und Unschuldige ausgießen, ist unsinnig: Sie ist mit dem ehernen Prinzip der Gerechtigkeit nicht vereinbar.

 

Die Menschen sollten also nicht über ihr Schicksal jammern, sondern durch ein gesetzmäßiges Leben dafür sorgen, dass sich ihr Los verbessert.

 

Bei aufmerksamer Beobachtung werden Sie die Ursachen Ihrer Leiden eines Tages erkennen. Ist nicht mancher Arzt überrascht zu hören, dass ein Kranker sehr genau weiß, womit er sein Leiden verdient hat?

 

Wir dürfen nicht klagen über die Not in der Welt, über das Leid scheinbar unschuldiger Kinder, Hungersnöte, Krankheiten und Kriege: Es gibt keine Wirkung ohne Ursache. Das Karmagesetz, die höhere Gerechtigkeit steht über alledem und gleicht aus: Entweder sühnt das Leid frühere Untaten, oder seine Bewältigung soll dem Betroffenen einen neuen Schritt zum Guten, auf eine höhere Stufe, ermöglichen.

 

Die häufige Frage, warum der „liebe Gott“ dieses oder jenes Unheil zulässt, zeugt von Unkenntnis der Grundlagen: Alles Unheil geht vom Menschen selbst aus. In unsere Freiheit, Gutes oder Böses zu tun, greift auch Gott nicht ein. Außerdem: Was wissen wir schon davon, was alles von Oben verhindert worden ist?

 

 

10. Freude über gerechte Weltordnung

 

Leiden Sie an den zahllosen Ungerechtigkeiten auf Erden? Dann kann nur Freude herrschen über ein Gesetz, das dafür sorgt, dass im Universum auf lange Sicht Gerechtigkeit regiert.

 

Karma sollte wissenschaftlich untersucht werden. Dann werden die Forscher das gesetzmäßige Wirken dieses geistigen Prinzips auf der materiellen Ebene enthüllen! Das wird uns die beglückende Gewissheit geben, dass absolute Gerechtigkeit den Kosmos beherrscht.

 

Ein Gesetz, das bei Verletzungen der kosmischen Ordnung das Gleichgewicht wieder herstellt, ist in Wahrheit eine heilende und liebevolle Macht!

 

Es ist sicherlich eine stärkere, gesündere und würdigere Philosophie, auf die höhere Gerechtigkeit zu bauen, als zu versuchen, sich seiner Verantwortung zu entziehen und die Konsequenzen des eigenen Handelns zu scheuen.

 

 

11. Freude über Beherrschung des eigenen Schicksals

 

Wird es nicht geradezu eine Befreiung sein, wenn Sie wissen, dass Ihnen Gelegenheit gegeben wird, das Übel wieder aus der Welt zu schaffen, das Sie selbst hineingebracht haben? Werden Sie nicht sogar Leid willig annehmen, wenn Sie wissen, dass Sie selbst zuvor anderen ähnliches zugefügt haben?

 

Früher hat man Buße als schwere, niederdrückende Last empfunden. Heute sind wir froh und dankbar darüber, alte Schulden begleichen zu dürfen!

 

Vor allem gibt Ihnen die Herrschaft der Gerechtigkeit die freudige Gewissheit, dass Sie Ihr Geschick beherrschen können. Sie sind keinem blinden Schicksal unterworfen. Sie können auf ein vernünftiges Gesetz bauen und sich selbst von allem Übel befreien: Sie sind selbst Ihres Glückes Schmied! Durch Ihr Handeln heute bestimmen Sie Ihre eigene Zukunft morgen.

 

In Erkenntnis des Karma-Gesetzes können Sie Ihr Schicksal – das heißt: Ihre Verantwortung –freudig annehmen und beherrschen.

 

 

12. Karma und Mitleid

 

Die Kenntnis des Karmagesetzes darf nicht zu voreiligem oder mitleidlosem Urteilen verleiten. Sie darf auch nicht zu der fatalistischen, im Osten verbreiteten Haltung führen, die da lautet: Hilfe ist nicht angebracht oder erforderlich, jeder ist selbst schuld an seinem Leid und muss allein damit fertig werden.

 

Es gibt nämlich nicht nur das Karma der einzelnen Seele, sondern weiter das Karma einer Familie, einer Gruppe, unseres Volkes, ja des ganzen Planeten, das gelöst werden muss. Nicht immer ist also unmittelbare persönliche Schuld die Ursache von Leid. Wir sind so vielfach in das Schicksal unserer Mitmenschen verstrickt, dass wir ihre Verfehlungen mit wiedergutzumachen haben.

 

Natürlich stehen dem Leidenden unser Mitleid und unsere Hilfe zu. Das sagt uns ganz deutlich unser natürliches Empfinden. Nirgendwo steht geschrieben, dass Karma allein gelöst werden muss. Im Gegenteil: Unser aller Karma können wir Menschen nur gemeinsam lösen.

 

 

13. Kein Leid in vollkommener Welt

Peter Wenzel „Das Paradies“

 

Die meisten von Ihnen denken: Die Welt ist unvollkommen, weil es noch so viel Leid gibt. Richtig ist aber: Es gibt so viel Leid, solange die Welt noch unvollkommen ist.

 

An sich besteht keine Notwendigkeit für Leid. In einer gesunden Welt gibt es kein Leid.

 

Eine heile Welt ist nicht heil, weil in ihr kein Leid besteht. Vielmehr gilt umgekehrt: In einer gesunden Welt ist Leid entbehrlich, weil es keinen Zweck erfüllt.

 

Leid entsteht durch Unwissenheit und das daraus entspringende falsche Handeln: durch Verstöße gegen das kosmische Gesetz, gegen den Höheren Willen. Endet die Unwissenheit, endet das Leid.

 

 

14. Notwendigkeit von Leid in unvollkommener Welt

Michelangelo „Pieta“

 

In einer unvollkommenen Welt dagegen ist Leid notwendig. Es läutert. Es ist eine quälende Macht, die auf Störungen der Ordnung, auf die Notwendigkeit von Veränderungen hinweist.

 

Wie Schmerz den Körper macht Leid den Geist auf Schwachstellen und Fehlverhalten aufmerksam. Beide zeigen Verletzungen – des Körpers, der kosmischen Ordnung - an. Ohne sie würden wir gar nicht bemerken, dass wir falsch leben.

 

Sie sollten daher tatsächlich dankbar für das Leid, ohne das Sie sich nicht vervollkommnen können. Es lehrt Sie, das zu suchen und zu heilen, was in Ihnen selbst noch unvollkommen und verletzlich ist.

 

Eine große, starke Seele leidet nicht, ebenso wenig wie ein gesunder Körper schmerzt.

 

In dieser Erkenntnis können Sie Ihr Schicksal verstehen und bejahen, und sei es noch so schwer: Leid zeigt eine Schwäche auf: Ihnen stößt das zu, worunter Sie – im Gegensatz zu anderen! – noch leiden, woran Sie also noch lernen müssen. Wenn Sie ausgelernt haben, wenn Sie zu einer wahrhaft Großen Seele geworden sind, leiden Sie nicht mehr, wie immer die Zustände beschaffen sein mögen, in die es Sie verschlägt.

 

Wer die Gesetze des Daseins kennt; wer gut, richtig, schön und groß denkt - der leidet nicht: Er begrüßt Leid freudig als einen Wegweiser. Indem er ihm folgt, findet er den kürzesten Weg zu notwendigen Verbesserungen seiner Lebensumstände – zur nächsthöheren Stufe.

 

Geistig überwundenes Leid, das zeigt uns das wundervolle Antlitz von Michelangelos Pietà im Petersdom in Rom, veredelt uns.

 

 

15. Impuls

 

Wir benötigen einen Anstoß, um uns dem Plan der Evolution entsprechend weiterzuentwickeln und überholte Anschauungen, Gewohnheiten und Lebensformen abzulegen.

 

Das Gesetz des Karma dient dazu, die Evolution voranzutreiben. Wer freiwillig nicht lernen will, Verstöße gegen die göttliche Ordnung zu unterlassen und diejenigen Eigenschaften abzulegen, die der weiteren Evolution entgegenstehen, kann dazu nur durch schieres Leid gezwungen werden. Wie sagt der Volksmund so richtig: Wer nicht hören will, muss fühlen.

 

Wer sein eigenes Leben analysiert, wird feststellen, dass die entscheidenden Erkenntnisse und Fortschritte darauf beruhten, dass er aus Leid gelernt hat. Ohne Leid würden die meisten sich überhaupt nicht vorwärts bewegen.

 

Klüger ist aber, es zu Leid gar nicht erst kommen zu lassen und rechtzeitig freiwillig die notwendigen Änderungen in seinem Leben vorzunehmen.

 

 

16. Warum Gutes tun?

 

Die verbreitete Meinung, „Karma“ sei ein östliches Konzept, das dem abendländischen Denken fremd sei, ist falsch:

 

Schon Platons Dialog „Der Staat", vor nahezu 2500 Jahren geschrieben, beschäftigt sich mit der Frage: Warum sollen wir Gutes tun?

 

„Lebt nicht der Ungerechte, der sich nicht greifen lässt, viel vorteilhafter als der Gerechte?“ So fragen die Schüler den Sokrates und bitten ihn, diesen Anschein zu widerlegen. Sie glauben mit dem Herzen an den Nutzen der Gerechtigkeit, finden mit dem Verstand aber nicht den Weg dorthin.

 

Sokrates kommt zu dem Schluss, dass der Gerechte schon auf Erden, erst recht aber nach seinem Tod das glücklichere Leben führt: Der Gerechte ist glücklicher, weil er das Tierische in sich unter die Gewalt des Göttlichen bringt (9. Buch, XII, XIII). Die Götter, die den Gerechten lieben, senden ihm nur Ereignisse, die - selbst wenn sie scheinbar von Übel sind - ihn tatsächlich zum höchsten Glück führen (10. Buch, XII).

 

Die platonische Weisheit hat also das Karmagesetz, die höhere Ordnung des Ausgleichs von Gut und Böse, schon gekannt. Die bewusste Annahme dieses Gesetzes ermöglicht uns heute eine klare Antwort:

 

Tun Sie Gutes, weil es in Ihrem eigenen Interesse das einzig Sinnvolle und Vernünftige ist! Nur das Gute verbessert, das Böse verschlimmert Ihr Los. Vernünftig handelt, wer sich die Kenntnis des Karmagesetzes zunutze macht, seine Gedanken, Worte und Taten reinigt und sich so für die Zukunft ein besseres Schicksal schafft.

 

Sie sehen: Eigennutz und Moral schließen einander nicht aus, im Gegenteil: Das Moralische ist das Zweckmäßige. Diese Erkenntnis muss die Menschen zu strikt ethischem Handeln führen: Im Hinblick auf den unweigerlich kommenden Rückschlag des Karma ist es schlicht unzweckmäßig, unmoralisch zu handeln.

 

 

17. Keine ewige Verdammnis

 

Niemand von Ihnen wird wegen einer Tat, und sei sie noch so fürchterlich, für alle Ewigkeit in die Hölle verbannt - eine sinnwidrige und menschenunwürdige Vorstellung. Jeder hat Gelegenheit, wiedergutzumachen.

 

Ein feinfühliger Christ muss unter der geltenden kirchlichen Anschauung unsäglich leiden: Wie kann er für sich selbst das Paradies ersehnen, wenn er weiß, dass andere Höllenqualen erleiden müssen? Was für ein Himmel wäre das überhaupt, getrübt durch den Gedanken an die in der Hölle bratenden Brüder und Schwestern?

 

Er muss ja verzweifeln, den Tod und damit das Jüngste Gericht so rasch kommen zu sehen, spürt er doch, dass er selbst und all die anderen noch lange nicht reif sind für den Himmel. Wie sollte er hoffen, dass die Menschen sich in diesem einen Leben so weit ändern können, dass sie würdig werden, in die himmlischen Sphären aufgenommen zu werden? So, wie es heute steht, sind wir doch alle der Hölle verfallen. Welches Leid entsteht aus Unwissenheit!

 

Die irdische Wirklichkeit hat die kirchliche Lehre längst überholt: Wir haben die Todesstrafe, selbst die unabänderliche lebenslängliche Freiheitsstrafe abgeschafft, weil es mit seiner Würde unvereinbar ist, einen Menschen vollständig zu verwerfen und ihm keine Gelegenheit zu Einsicht, Buße, Besserung und Wiedergutmachung zu geben.

 

Und Gott sollte dies tun, eines seiner Kinder in alle Ewigkeit verdammen? Wissen wir überhaupt, was wir da sagen?

 

Weil das nicht sein kann, spricht die Kirche - anders als die Bibel - kaum noch von Strafe und Hölle, sondern nur noch von Gnade. Dann ist aber nicht mehr deutlich, worin die Sühne für den Sünder besteht.

 

 

18. Keine Sündenvergebung

 

Es ist widersinnig und gefährlich, wenn die Kirche lehrt, Christus sei gestorben, um uns von aller Schuld zu erlösen; oder wenn sie vorgibt, von der Verantwortung für Untaten lossprechen zu können. Es gibt keine Sündenvergebung, Sündenerlass oder Reinigung durch letzte Ölung mit der Wirkung, dass begangenes Unrecht aufgehoben wird. Das liegt in niemandes Macht, nicht der höheren Wesen und schon gar nicht der Menschen, auch nicht der Priester.

 

Solche Vorstellungen sind im Grunde kindischer Aberglaube; nicht besser als der Versuch, sich durch Zahlung eines Ablasses oder durch ein Bad im Ganges von Schuld reinzuwaschen.

 

Das Böse ist nun einmal in der Welt und muss wieder herausgeschafft werden: Wer sollte das tun, wenn nicht derjenige, der es angerichtet hat? Von selbst verschwindet der Dreck nicht. Wollen Sie wirklich diese Last einem anderen – Christus - aufbürden?

 

Das Böse ist auch in uns selbst vorhanden. Es kann dort weder durch äußere Rituale wie Absolution noch durch Christi Tod am Kreuz ausgetrieben werden. Wer sollte es beseitigen, wenn nicht wir selbst? Der Sünder, der Verbrecher muss sein eigenes Wesen ändern, sich reinigen von den Begierden, die böse Taten hervorgebracht haben - wie sollte das vor sich gehen, wenn nicht durch eigene, mühsame innere Arbeit? Niemand kann uns das abnehmen.

 

Die Lehre der Kirche spricht in gefährlicher Weise das niedere Selbst der Menschen an und suggeriert ihnen, sie könnten sich vor der Verantwortung drücken. Das führt zu einer schrecklichen Verantwortungslosigkeit des einzelnen. Die Propagandisten des leichten Weges übersehen, dass sie dem Menschen mit der Verantwortung auch das eigentlich Menschliche, nämlich seine Würde nehmen.

 

 

19. Keine Entstellung der Gerechtigkeit

 

Die Vorstellung der Sündentilgung durch Priester, göttliche Gnade oder Christi Tod am Kreuz ist in Wahrheit eine Verhöhnung des göttlichen Prinzips der Gerechtigkeit!

 

Allenfalls kann das Opfer dem Täter vergeben, und damit die Schuld zwar nicht auslöschen, aber das eigene und das Karma des anderen erleichtern.

 

Die Beichte kann eine Hilfe zur Erkenntnis der Sünde und der Notwendigkeit der Wiedergutmachung sein. Durch das Geständnis allein wird das Böse aber nicht getilgt.

 

Die Menschen nehmen die Herrschaft des Geistes nicht ernst. Sie müssen sich entscheiden: Entweder herrscht Gerechtigkeit im Universum oder nicht.

 

Aber die Vorstellung von einem „Gottessohn“, der als „Erlöser“ die elementarsten Prinzipien aus den Angeln hebt, korrumpiert das natürliche Gerechtigkeitsempfinden und den Sinn für das Wirken der höheren Prinzipien.

 

In Wahrheit versucht der Mensch, der liebevollen Strenge der Gerechtigkeit zu entgehen. Er verhält sich wie ein trotziges Kind, das sich gegen die von seinem Vater im Himmel geschaffene Ordnung auflehnt.

 

Die Botschaft des Karmagesetzes ist ganz einfach: Wir selbst müssen reiner leben. Wir selbst müssen uns von dem Bösen in uns und in der Welt befreien. Das ist nur durch starkes Streben und beständige Übung möglich.